"Der Blick auf Pflegebedürftigkeit ist in weiten Teilen der Bevölkerung von Angst, Unsicherheit und Unwissen geprägt. Das betrifft keineswegs nur die Diskrepanz zwischen tatsächlichen und erwarteten Belastungen durch die Eigenanteile, die von den Pflegebedürftigen zu stemmen sind, weil die Pflegeversicherung nur Teile der Gesamtkosten einer stationären Pflege übernimmt.
Ältere Menschen wünschen sich, bis zum Tod eigenständig leben zu können, sie möchten ihren Nächsten nicht zur Last fallen. Gleichzeitig wünschen sich die Menschen, Erspartes an Kinder und Angehörige vererben zu können. Man möchte die ersparten Rücklagen nicht für Pflegebedürftigkeit aufzehren und man möchte nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein. Gute Pflege in einer älter werdenden Gesellschaft gibt es aber nicht zum Nulltarif.
Es braucht Pflegekräfte, die diese Aufgabe zugewandt und motiviert leisten und die dafür eine leistungsgerechte Bezahlung erhalten. In Zeiten des demographischen Wandels ist es kein Selbstläufer, genug Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen. Wir als Caritas stehen mit unserem Tarifwerk für gute Bezahlung von Pflegekräften, unabhängig davon, ob sie in stationärer oder ambulanter Altenhilfe tätig sind.
Gerade die ambulante Altenhilfe darf nicht vergessen und erneut zum Aschenputtel der Pflege werden. Die Sicherung der häuslichen Pflegesituation braucht höchste gesellschaftliche und politische Aufmerksamkeit. Mir macht es riesige Sorgen, wenn ich sehe, dass Sozialstationen schließen und dann von heute auf morgen 50 oder 100 Pflegebedürftige zuhause ohne Unterstützung sind. Es bedarf einer verlässlichen vorsorgenden gemeinsamen Anstrengung, um für die lange Phase des Älterwerdens individuell und gesellschaftlich die passenden Unterstützungsangebote zu organisieren.
Wir müssen dies so gestalten, dass kein Mensch Angst haben muss, in einer Lebenssituation schwerer dementieller Erkrankung niemanden zu haben, der aufpasst - darauf, dass ich genug trinke und dass ich die Wohnung nicht in Brand setze, weil ich versehentlich den Wasserkocher mit Spiritus fülle. Die Pflegeversicherung muss so weiterentwickelt werden, dass bei einer lang währenden Pflegebedürftigkeit zuhause oder in einer Einrichtung die notwendigen Pflegeleistungen auskömmlich refinanziert sind. Aber wir brauchen kein Erbenschutzprogramm. Wir müssen uns gegenseitig darin bestärken zu sagen: Wer alt und krank ist, hat das gute Recht, Vermögen für Pflege aufzuzehren, um gut versorgt zu sein."
Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa